Ein Ende des Leidens
Reflexion über Frontotemporale Demenz und Selbstbestimmung beim Sterben
Einleitung:
Die letzten Wochen und Monate waren eine intensive und herausfordernde Zeit. Mein Vater, den ich als rechtlicher Betreuer begleitet habe seit Frühjahr 2023, litt an komplexer Frontotemporaler Demenz. Mit seinem Tod am 09.12.2024 ist eine schwierige Reise zu Ende gegangen – sowohl für ihn als auch für mich. In diesem Beitrag möchte ich die Erfahrungen teilen, die ich gemacht habe, sowie einige kritische Gedanken zu unserem Umgang mit unheilbaren Erkrankungen und Selbstbestimmung beim Sterben einbringen.
Frontotemporale Demenz: Eine Krankheit der Extreme
Frontotemporale Demenz unterscheidet sich von anderen Formen der Altersdemenz, wie Alzheimer. Sie ist häufig aggressiver und grausamer, sowohl für die Betroffenen als auch für ihre Angehörigen. Die Krankheit raubt nicht nur das Gedächtnis, sondern auch das logische Denkvermögen, die zeitliche und räumliche Orientierung und schließlich die Persönlichkeit des Erkrankten.
Mein Vater erlebte diesen Prozess auf besonders quälende Weise. Ohne die Fähigkeit, sich zu orientieren, die Menschen um ihn herum zu erkennen oder Erinnerungen an ihre Besuche zu speichern, war er in einem Zustand permanenter Einsamkeit gefangen. Selbst einfachste logische Schlüsse – etwa ob ein Besucher schon länger anwesend war – waren nicht mehr möglich.
Das Ende eines Leidenswegs
Mit dem Fortschreiten der Krankheit wurde klar, dass es keine Heilung geben würde. Die letzten Worte meines Vaters, bevor er eine Oberschenkelhalsfraktur erlitt, waren, dass er sich allein und einsam fühlte. Dies zu hören und zu wissen, dass er innerlich in alten Traumata gefangen war, war für mich eine der schwierigsten Erfahrungen.
Nach seinem Unfall und der Operation im Krankenhaus wurde sein Leiden durch Morphium gelindert, aber das Ende war unvermeidlich. Der Tod brachte die Erlösung von einem Leiden, das ich niemandem wünschen würde.
Ein Appell für Selbstbestimmung
Die Erfahrungen mit meinem Vater haben mich zum Nachdenken über unsere gesellschaftlichen und rechtlichen Regelungen zum Thema Sterbehilfe gebracht. In Deutschland ist es derzeit nicht erlaubt, anderen bei einem selbstbestimmten Tod zu helfen, selbst wenn eine eindeutige, schriftlich festgehaltene Patientenverfügung vorliegt.
Ich halte das für einen Fehler. Menschen mit unheilbaren, qualvollen Erkrankungen wie Frontotemporaler Demenz sollten die Möglichkeit haben, würdevoll und ohne langwieriges Leiden zu sterben. Es gibt keine Ethik, die rechtfertigen kann, dass ein Mensch über Jahre hinweg äußerst schmerzhafte und entmenschlichende Zustände ertragen muss.
Die derzeitigen Gesetze verhindern diese Selbstbestimmung und zwingen Betroffene sowie ihre Familien dazu, hilflos zuzusehen. Selbst in Situationen, in denen der Wille klar dokumentiert ist, traut sich niemand, diesen umzusetzen – aus Angst vor rechtlichen Konsequenzen.
Perspektiven für die Zukunft
Ich möchte mit diesem Beitrag einen Beitrag zur öffentlichen Debatte leisten. Es ist an der Zeit, dass wir über Themen wie Sterbehilfe, Altersdiskriminierung und den Umgang mit unheilbaren Erkrankungen sprechen. Diese Themen betreffen uns alle, direkt oder indirekt.
In künftigen Beiträgen werde ich mich intensiver mit diesen Themen auseinandersetzen. Es gibt viele offene Fragen: Wie können wir als Gesellschaft sicherstellen, dass Menschen ein selbstbestimmtes und würdevolles Lebensende haben? Welche gesetzlichen Änderungen sind notwendig, um Betroffenen und ihren Angehörigen zu helfen?
Schlusswort:
Der Tod meines Vaters hat eine Zeit des Leidens beendet. Ich bin nicht religiös, aber ich glaube, dass niemand in einer solchen Hölle leben sollte – weder im wörtlichen noch im metaphorischen Sinne. Es liegt an uns, sicherzustellen, dass unsere Gesetze und unsere Gesellschaft den Menschen die Würde lassen, die sie verdienen.
Ich lade euch ein, eure Gedanken zu diesem Thema in den Kommentaren zu teilen. Lasst uns gemeinsam darüber sprechen, wie wir Änderungen bewirken können.
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